Viele Gäste bei zweiter Zukunftswerkstatt
15.07.2015
Zur zweiten Zukunftswerkstatt lud das Architekturbüro Brinkhoff in das Ortsgemeinschaftshaus Lostau gestern ein. Dreißig Bürgerinnen und Bürger, darunter zehn Gemeinderatsmitglieder und viele Gewerbetreibende, folgten der Einladung um über die Themen Wirtschaft, Gebäudeleerstand und lebendige Ortsmitten zu diskutieren. Bevor das Architekturbüro allerdings mit einer Präsentation begann begrüßte der Gemeindebürgermeister Bernd Köppen die Anwesenden und übernahm sogleich die Moderatorenrolle...
Zusammenfassung auf Bildtafeln
In der vorgezeigten Präsentation, die durch David Brinkhoff vorgestellt wurde, sahen die Anwesenden nur bedingt neue Schautafeln. Kurz wurde noch einmal auf die beiden Versorgungsschwerpunkte in der Gemeinde Möser, die Ortsteile Möser und Lostau hingewiesen. Dann folgte eine Aufstellung der Gewerbeanmeldungen von 2005 bis 2014. Hier konnten die Gäste erkennen, dass sich die Zahlen der Gewerbeneuanmeldungen Jahr um Jahr reduzierten. Waren es im Jahr 2005 noch rund 230, meldeten im vergangenen Jahr nur noch 150 Bürgerinnen und Bürger ein neues Gewerbe an. Zwar war das Thema Wirtschaft in der durchgeführten Bürgerbefragung durch die Bürgerinnen und Bürger nicht als primär wichtig betrachtet, dennoch sei die Bevölkerung beim Thema Wirtschaft sensibel, analysierte Brinkhoff. Nicht die Möglichkeiten in der Gemeinde zu arbeiten stände demnach im Fokus der Einwohnerinnen und Einwohner, sondern die fehlenden Einrichtungen der Daseinsfürsorge. "Möser ist eine typische Pendlergemeinde", so Brinkhoff weiter. Er verwies darauf, dass Möser ein Wirtschaftsstandort sein könne, da sich ein großer Kundenkreis in der Landeshauptstadt Magdeburg direkt vor der Haustür befinde. Schnell legte er das Augenmerk aber wieder auf den Tourismus und die damit verbundenen Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Stärkung der Gemeinde von innen heraus. So fehlen laut Architekturbüro attraktive Angebote im Bereich Tourismus und Landwirtschaft. Den Wassertourismus wollte das Büro besonders hervorgehoben wissen, hatte aber auch Ideen für Camping- und Caravanstellplätze. Alles zielte auf die Stärkung der Gastronomie und des Hotel- und Pensionsgewerbes ab. Da war für das Architekturbüro die Schlussfolgerung einen inhaltlichen Markenkern für die Einheitsgemeinde Möser zu entwickeln, der als Dachmarke alle Ortsteile zusammenfasst, nur die logische Konsequenz.
Ortsmitten wieder beleben
Für einen funktionierenden Tourismus und eine daraus entstehende wirtschaftliche Leistungskraft sah das Architekturbüro die Innenentwicklung vor der Außenentwicklung. Ziel sei die Verdichtung und der Erhalt der attraktiven Ortskerne, die nur durch Nachnutzungsinitiativen leer stehender Immobilien erreicht werden könne. Den Verlust von funktionalen Ortsmitten durch den Wegfall von Dienstleistungs- und Versorgungsangeboten müsse entgegengewirkt werden, so David Brinkhoff, der im gleichen Atemzug fragte: "Wo ist die Mitte Schermens?"
Projekt Dorv-Laden
Die Wiederbelebung der Dorfmitten will das Architekturbüro über genossenschaftlich betriebene Dorfläden, die ehrenamtlich betrieben werden, ebenso herbeiführen, wie durch soziale Treffpunkte und Aktionen. Hier wurden als Beispiele Repair-Cafés und Mehrgenerationenhäuser genannt. Junge Familien sollen nach den Ideen der Architekten in alte Baussubstanz investieren und einziehen, modernes Wohnen soll gleichzeitig in alten Hofanlagen verwirklicht werden. Hier gab es bereits die ersten Gegenargumente. Soziale Treffpunkte gäbe es bereits mit den Ortsgemeinschaftshäusern, hier ließen sich bestimmte Ideen, wie die Repair-Cafés bereits umsetzen, so ein Teilnehmer. Frank Winter brachte es auf den Punkt indem er feststellte, dass Dorfläden keine wirtschaftliche Basis hätten, dass sahen andere ebenso. Auch das Angebot für Seniorinnen und Senioren den Einkauf zu erledigen hätte keinen Bedarf bei Umfragen in Hohenwarthe ergeben, so Winter.
Die vorhandene Wirtschaft vernetzen
Den Vorschlag eines Unternehmerstammtisches, oder eines Gewerbeverein, der in der letzten Zukunftswerkstatt vorgeschlagen wurde, hat das Architekturbüro in seine Überlegungen übernommen, aber nicht weiter entwickelt. So stand dieser Punkt weiter ohne konkrete Lösungsansätze im Raum. Einzig neu, war die Forderung nach einer Zusammenarbeit der Wirtschaft mit dem Schulstandort Möser um Fachkräfte frühzeitig anzuwerben und zu halten.
lebendige Diskussion mit anderen Sichtweisen
Nach der Präsentation erfolgte die offene Diskussion. Gemeinderatsmitglied Frank Winter fand als erster deutliche Worte, als er darauf hinwies, das vier von sechs Ortschaften bereits in der Mitte tot seien, dies sei nicht dem fehlenden Dienstleistungs- und Versorgungssektor zuzuschieben, sondern den ehrlich erkämpften Ortsumgehungen. Die Ortskerne könnten daher nicht so ohne weiteres wieder belebt werden, weil die Kunden fehlen. Anke Rasch sah die Sache ein wenig anders. Für sie steht fest, dass der fehlende Durchgangsverkehr für die Anwohnerinnen und Anwohner als positiv empfunden wird, weil es Ruhe bringt. Viele Bürgerinnen und Bürger sahen das ähnlich. So wie Cornelia Schierpke, die 1986 nach Lostau gezogen ist und hier eine gepflegte Ortschaft sieht, die zum Urlaubmachen und Wohnen einlädt. Auch Simone Garnicht aus Schermen stimmte dem weitestgehend zu. "Ich bin nach Schermen gezogen, weil ich in Ruhe auf dem Land wohnen wollte." Wie also die Ortsmitten wirtschaftlich stärken? Das war die Frage, auf die, die verschiedenen Gäste, verschiedene Antworten hatten. Frank Winter machte den Anfang indem er vorschlug andere Punkte zu bewerben und zu aktivieren. Auch Ordnungsamtsleiter Hartmut Dehne sah dies so. Er sagte "Wir sollten uns auf das konzentrieren was wir haben und die Wegebeziehungen zwischen den Ortschaften weiter ausbauen. Es gilt sich auf die vorhandenen Potentiale zu konzentrieren und diese zu nutzen. Als Beispiel brachte er den bunten Markt in Möser ein. Hier fragte er spontan in die Runde, wer diesen Kenne und dort einkaufen gehe. Gut die Hälfte der Anwesenden kannten demnach den Markt, ein viertel nutze ihn für Einkäufe. Damit sah Dehne sich bestätigt und gab zu verstehen, dass nur in kleinen Schritten die Attraktivität der Orte erhöht werden könne. Beispielsweise auch über die Schaffung einer Markthalle für den bunten Markt.
Das Gewerbe im Blickpunkt
Gemeinderatsmitglied Günter Lauenroth sah das Gewerbe als wichtiges Hauptthema. "Wir haben in allen Orten Potentiale die genutzt werden können. Wir müssen nur Anreize für Gewerbetreibende schaffen. Kleine Bausteine bringen uns voran, deshalb brauchen wir eine gezielte Wirtschaftsförderung in der Gemeinde." Durch Bürgerengagement ließen sich zudem viele Projekte realisieren, so Lauenroth weiter, der auf die Renaturierung der Alten Elbe bei Lostau verwies. Auch die Schaffung eines Gewerbevereins begrüßte er ausdrücklich, da dies zu einer Vernetzung der Unternehmen führe und die Gemeinde schneller die richtigen Ansprechpartner erreichen könnte. Bernd Köppen versprach hier die Einrichtung eines Leerstandskatasters und einer Immobilienbörse auf der Internetseite der Gemeinde, um den Zuzug von Familien und Unternehmen zu erleichtern. Einwohnerin und Einwohner der Gemeinde, auch im hohen Alter zu sein, dass wünschten sich fast alle Anwesenden. Gemeinderatsmitglied Sabine Roszkca, die seit sechs Jahren in Möser beheimatet ist, hatte die langfristige Perspektive auch dort wohnen zu bleiben. Ihr fehlten dahingehend aber die Servicemöglichkeiten für Seniorinnen und Senioren. Auch die entsprechende Straßeninfrastruktur müsse altengerecht angepasst werden. Roszkca mahnte auch an, dass viele Ideen des Architekturbüros zeitnah, innerhalb weniger Jahre, über Fördermittel realisierbar seien. Die langfristigen Ideen, die das Leitbild ja mit 2025 ausgibt, fehlten ihr allerdings bisher. Für sie sei aber auch Wohnen gleich Wirtschaft. Michael Bremer, Bürgermeister der Ortschaft Möser, verwies im Hinblick auf das Wohnen im Alter, auf die jüngst veröffentlichten Bevölkerungsprognosen und sagte: "Demografisch brauchen wir uns nicht zu verstecken." Unser Ziel müsse es sein Wirtschaftlichkeit in den Bereichen "Tourismus, soziales, Dienstleistungen, Hotel und Gastronomie zu schaffen." Damit und mit der Anbindung an ein gutes Wegenetz ließe sich, laut Bremer neues Leben in die toten Ortsmitten bringen. Peter Zurr, Geschäftsführer der Lungenklinik in Lostau, hörte interessiert zu. Er meldete sich zu Wort und sagte "Wichtig für uns ist, dass wir angesprochen werden. Wir als Investoren müssen angesprochen werden damit bestimmte Projekte wie altengerechtes Wohnen auch realisierbar sind." Er sah aber auch die Chance mikroökonomische Flächen als große Anziehungspunkte zu etablieren. Es gibt viele Kleinigkeiten in den Ortschaften die positiv wirken und Entscheidungen daher auch positiv beeinflussen. Zurr mahnte aber auch an, dass ein Zeichen fehle, gerade für die Auswärtigen und Städter. Die Leuchttürme müssen hervorgehoben werden, damit potentielle Gäste erkennen - hier ist etwas. Das Thema altengerechtes Wohnen war ohnehin, wie das Thema Tourismus sehr stark thematisiert. Eckhardt Brandt, Bürgermeister der Ortschaft Körbelitz" sah ebenfalls das Wohnen im Alter als wichtiges Thema an. Für ihn sei die Nutzung alter Bausubstanz wichtig, damit jeder im Alter in seinem Ort wohnen bleiben kann. Auch Gemeinderatsmitglied Ingeborg Schwenk sah dies so. Für sie bringt das altersgerechte Wohnen in den Ortsmitten viele Vorteile, weil sich darum neues Gewerbe entwickelt. Die privatwirtschaftliche Daseinsfürsorge unterstützte auch Peter Zurr, der eine Potentialanalyse für das altengerechte Wohnen vorschlug.
Weitere Werkstätten angeregt
Wegen der breit gefächerten Themenpalette wünschten sich einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer weitere Zukunftswerkstätten, die sich speziell mit einer Thematik näher befassen. Hier wurde die Vermutung laut, dass sonst am Ende der Leitbildentwicklung keine handfesten Handlungsrichtlinien erarbeitet und die vorhandenen Vorschläge untergegangen oder tot geredet wurden.